Januar 2013: Abmahnung an die Tageszeitung wegen Kulturverfalls
Nicht selten passiert es, daß mir schon beim morgendlichen Zeitungslesen der Tag verdorben wird. Am 8. Januar 2013 entstand daraus folgender Brief an die Chefredaktion und die Geschäftsleitung der Märkischen Allgemeinen Zeitung.
"Vor wenigen Tagen überwies ich die Kosten des Abonnements für das neue Quartal. Dabei fiel mir auf, daß von 2010 bis 2012 der Preis von 58 auf 68 Euro angestiegen ist. Für solch eine Preissteigerung sollte es - da die galoppierende Inflation von den regierungsnahen Zeitungen immer als bloß "gefühlt" geleugnet wird - triftige Gründe geben. Doch diese will ich jetzt gar nicht diskutieren. Was ich diskutieren will, ist das niedrige geistig-kulturelle Niveau, die speziell am heutigen 8. Januar zutage tritt. Ich glaube der Aufmacher "Trennung mit Ansage: Ehe-Aus bei den Wulffs" ist kaum zu unterbieten. Dann folgt auch noch auf Seite 10, die in ihrer Überschrift verspricht "Aus aller Welt" zu berichten, auf 3/4 der Fläche ein dümmlichen Klatsch über die Familie Wullf. Den Rest füllen Sie auf mit "Die Elf fürs Dschungelcamp". Wer will so etwas wissen? Wenn mir nach solch geistlosem Quatsch der Sinn stände, dann würde ich mir aus dem Kiosk die BILD holen. Von einer seriösen Tageszeitung erwarte ich anderes."
Von der Marketing- und Vertriebsleiterin erhielt ich schon am folgenden Tag nachstehende Antwort:
„…wir danken für Ihre Meinungsäußerung, was Ihnen an der aktuellen MAZ missfällt. Für die inhaltliche Ausrichtung ist die Chefredaktion verantwortlich. Dennoch erlauben Sie mir an dieser Stelle zumindest den Hinweis, dass wir als Tageszeitung immer eine Mischung der Themen aufgreifen, die gerade in der Öffentlichkeit relevant sind. Dazu gehört auch, dass für den einzelnen Leser sicher nicht immer alle Themen interessant sind, aber eben die Bandbreite der Interessen der Einwohner in Brandenburg widerspiegelt. Wir bedauern sehr, Sie mit unserer Themenauswahl verärgert zu haben. Bezüglich Ihres Hinweises auf die Erhöhung des Abopreises haben wir selbstverständlich gute Gründe: Hierzu zählen gestiegene Papier- und Energiekosten für die Herstellung und insbesondere die gestiegenen Treibstoffpreise, die sich aufgrund der Größe unseres Gebietes zwangsläufig in den Speditions- und Zustellkosten niederschlagen. Jede Nacht legen unsere Speditionsfahrzeuge zu den Ablagestellen rund 11.000 km zurück. Dazu kommen dann noch einmal rund 17.000 km, die unsere Zusteller jede Nacht zurücklegen, um die Zeitung in jeden Winkel zu liefern. Vor diesem Hintergrund haben Sie sicherlich Verständnis für Preisanpassungen, die wir jährlich vornehmen müssen und die auch stets in der MAZ vorher angekündigt werden.“
Das Schreiben veranlaßte mich wie folgt darauf zu antworten:
„…ich bedanke mich für Ihr Antwortschreiben. Die Preissteigerung hätten Sie nicht so ausführlich begründen müssen, wie ich schon in meiner ersten Ausführung feststellte, ist das im Augenblick nicht mein Thema. Doch wenn dieselbe mit einem Niveauverfall einhergeht, dann schon. Ich glaube Ihre Geschäftsleitung unterliegt einem schweren Irrtum, wenn sie mit der "Bandbreite der Interessen der Einwohner in Brandenburg" meint, den Leuten, die im Jogginganzug mit der Bierbüchse in der Hand den ganzen Tag vor dem Fernseher sitzen, Auskünfte zu deren Lieblingsprogramm geben zu müssen. Diese Menschen lesen bestenfalls die Sonderangebote im kostenlosen Wochenblättchen, abonnieren aber mit Sicherheit keine Tageszeitung. Sie sollten mehr die Bedürfnisse der Menschen im Auge haben, die sich mit täglicher Arbeit das Geld verdienen müssen, um Sie sich leisten zu können. In der Hoffnung, daß der 8. Januar mit den angesprochenen Nachrichten der letzte schwere Ausrutscher war,…“
Am 14. Januar schrieb mir aus gleichem Grund der Chefredakteur der Zeitung:
„es tut mir aufrichtig leid, dass Ihnen die MAZ auf "niedrigem geistig-kulturellen Niveau" begegnet ist. Wie Sie sich aber denken können, bin ich anderer Ansicht als Sie. Zunächst einmal kann ich Ihnen versichern, dass sich alle Journalisten der MAZ jeden Tag um eine qualitativ anspruchsvolle Zeitung mühen. Dass nicht alles den Geschmack und das Interesse jeden Lesers trifft, ist normal. Und auch, wie Themen aufbereitet werden - darüber lässt sich immer streiten und dies ist auch interner Diskussionsstoff in der Redaktion. Pauschalurteile, wie Sie sie in Ihrer Mail getroffen haben, helfen jedoch nicht. Sie qualifizieren Texte als dümmlich und geistlos ab und fragen, wer das wissen will. Leser, antworte ich Ihnen. Leser, die Texte, die Sie interessieren, vielleicht weniger spannend finden. Ich möchte dies nicht werten, ich stelle das in Gesprächen mit MAZ-Lesern lediglich immer wieder fest. Darum versuchen wir unsere Stärken als regionale Tageszeitung (Land Brandenburg und Lokales) mit der Berichterstattung über nationale und internationale Themen zu kombinieren. Dazu gehören neben der Politik auch das Bunte. Und ob es uns oder Ihnen gefällt: die Wulffs und das Dschungelcamp sind an jenem 8. Januar nun mal Themen gewesen - übrigens auch in anderen "seriösen" Tageszeitungen. Und mit der BILD-Berichterstattung hat dies nun wirklich nichts zu tun, wenn Sie vergleichen. Lieber Herr Schulze, bitte begleiten Sie uns weiterhin kritisch. Wir stellen uns gern der Kritik, weil sie uns besser macht.“
Diesem Wunsch wollte ich gern nachkommen und antwortete sogleich:
„vielen Dank für die Antwort, die ich heute von Ihnen erhielt. Aus gleichen Grund schrieb ich Frau Domin aus Ihrem Hause vor wenigen Tagen folgende Zeilen: "Ich glaube Ihre Geschäftsleitung unterliegt einem schweren Irrtum, wenn sie mit der "Bandbreite der Interessen der Einwohner in Brandenburg" meint, den Leuten, die im Jogginganzug mit der Bierbüchse in der Hand den ganzen Tag vor dem Fernseher sitzen, Auskünfte zu deren Lieblingsprogramm geben zu müssen. Diese Menschen lesen bestenfalls die Sonderangebote im kostenlosen Wochenblättchen, abonnieren aber mit Sicherheit keine Tageszeitung. Sie sollten mehr die Bedürfnisse der Menschen im Auge haben, die sich mit täglicher Arbeit das Geld verdienen müssen, um Sie sich leisten zu können. In der Hoffnung, daß der 8. Januar mit den angesprochenen Nachrichten der letzte schwere Ausrutscher war,…“ Und ich hätte nicht gedacht, daß dieser "Ausrutscher" schon heute seine Fortsetzung findet. Ich gehe weiterhin davon aus, daß Ihre Redaktion tatsächlich einem schweren Irrtum unterliegt, wenn Sie denkt, mit besagter Zielgruppe den Rückgang an Zeitungslesern aufhalten zu wollen. Ich kann es hier beim Einzelhandel beobachten, wer als Ladenbesitzer glaubt, noch billiger als die Markthändler sein zu wollen, geht in kurzer Zeit pleite. Nur wer Qualität bietet, der kann auch einen Preis verlangen, der seine Kosten deckt. Dabei habe ich zugleich die leise Hoffnung, daß die intensive Bewerbung solcher primitiven Fernsehsendungen tatsächlich nur ökonomisch bedingt sind. (Vielleicht bekommen Sie es vom Sender sogar bezahlt??) Noch schlimmer wäre es, wenn mein damaliger Staatsbürgerkundelehrer recht gehabt hätte, der uns erklärte, die Massenmedien der imperialistischen Gesellschaft haben die Aufgabe der Desinformation, sie müssen die Volksmassen von den Gebrechen des Systems ablenken. Wenn ich als ehrenamtlicher Chronist nicht die Lokalnachrichten für mein Archiv brauche, wobei ich die Arbeit der Redaktionen in Jüterbog und Luckenwalde durchaus schätze, denn hätte ich aus o. g. Gründen Ihr Blatt schon abbestellt.
Mit freundlichen Grüßen
Henrik Schulze,
dem es völlig egal ist, mit wem Frau Wulff ins Bett geht und wer sich im Privatfernsehen zum Affen macht."
Hoffmann von Fallersleben schrieb schon 1841 in seinen "Unpolitischen Liedern":
Wie ist doch die Zeitung so interessant
Für unser liebes Vaterland!
Was haben wir heute nicht alles vernommen!
Die Fürstin ist gestern niedergekommen,
Und morgen wird der Herzog kommen,
Hier ist der König heimgekommen,
Dort ist der Kaiser durchgekommen -
Bald werden sie alle zusammenkommen -
Wie interessant, wie interessant!
Gott segne das liebe Vaterland!